Kreisstadt Unna, Nordrhein-Westfalen
"Ich hatte tatsächlich erwartet, dass ich wirklich ganz, ganz wenige Einverständniserklärungen zurückerhalte. Es kamen relativ viele zurück – und ich hab auch nur Begeisterung in den E-Mails gelesen."

Ausgangslage: Eine Kreisstadt im Spannungsfeld steigender Anforderungen
Die Kreisstadt Unna im östlichen Teil der Metropole Ruhr steht exemplarisch für die Herausforderungen moderner Kommunalverwaltungen: Mit 48 Ratsmitgliedern und einem dezentralen Sitzungsdienst über etwa ein Dutzend Ausschüsse hinweg war die manuelle Protokollierung zu einer enormen Arbeitsbelastung geworden. Als “aktive Stadt mit attraktivem Flair” ist Unna nicht nur administrativ, sondern auch als Vorreiter in der Digitalisierung gefordert.
Die besondere Herausforderung in Unna lag in der hohen Qualitätserwartung: Verlaufsprotokolle, nicht nur Ergebnisprotokolle, werden erwartet. Der Diskussionsverlauf soll detailliert mitgeteilt werden, und Ratsmitglieder können nachträglich beanstanden, wenn sie sich nicht richtig wiedergegeben fühlen. Diese hohen Standards führten zu einem enormen zeitlichen Aufwand bei der Protokollerstellung.
Schmerzpunkt Protokollierung: Wenn Qualität zur Belastung wird
Marcel Kolter, Leiter des Ratsbüros, stand vor einer besonderen Herausforderung: Als Schriftführer nicht nur für den Rat und den Haupt- und Finanzausschuss, sondern für circa ein halbes Dutzend weiterer Ausschüsse musste er bis zu 6-7 Niederschriften in einem Monat erstellen. Die Bandbreite reichte von mindestens 4 Seiten bis zu 20 Seiten pro Ratsniederschrift – je nach Diskussionsintensität.
Der bisherige Arbeitsablauf war zeitaufwändig und belastend: Handschriftliche Notizen während der Sitzung, parallel dazu Tonbandaufnahmen zur Absicherung, und anschließend 5 bis 8 Stunden reine Nachbearbeitungszeit pro Sitzung. Bei Sitzungen von 1 bis 4 Stunden Dauer – im Durchschnitt etwa 2 Stunden – bedeutete das einen enormen Zeitaufwand für die Verschriftlichung.
Erschwerend kam hinzu, dass das Ratsbüro aufgrund seines guten Rufes bei der Protokollqualität immer mehr Aufgaben übernehmen musste. Andere Schriftführer, die weniger Erfahrung mit Verlaufsprotokollen hatten, übergaben ihre Aufgaben an das zentrale Ratsbüro. So konzentrierten sich über 60% aller Ausschüsse inklusive Rat, Ältestenrat und zwei Beiräte auf nur drei Personen im Ratsbüro.
Der Weg zur digitalen Lösung: Strategie, Datenschutz und Bürgerbeteiligung
Strategische Vorbereitung und KI-Governance
Die Einführung von KI-gestützter Protokollierung in Unna begann mit einer durchdachten Digitalisierungsstrategie. Die Stadt hatte bereits KI Sidekick als DSGVO-konforme ChatGPT-Alternative eingeführt und parallel eine umfassende Dienstanweisung für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz entwickelt. Diese klare KI-Governance schuf die Grundlage für weitere Digitalisierungsschritte.
Als SpeechMind als Lösung für die Sitzungsprotokollierung ins Spiel kam, musste zunächst die bestehende Dienstanweisung erweitert werden, da sie Gesprächsaufnahmen zunächst ausschloss. Marcel Kolter setzte sich erfolgreich dafür ein, dass eine Ausnahme für den Sitzungsdienst geschaffen wurde.
Die entscheidende Weichenstellung erfolgte in enger Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten. Obwohl dieser “relativ streng” bei der Datenverarbeitung ist und jede Verwendung “sehr stark beäugt”, gelang es, einen rechtssicheren Weg zu entwickeln. Das Konzept: eine befristete Testphase mit expliziter Einverständniserklärung aller Beteiligten.
Die Einverständniserklärung als Schlüssel
Unna wählte bewusst den aufwändigsten, aber rechtlich sichersten Weg: Statt einer einfachen Beschlussvorlage entwickelte das Team eine Mitteilungsvorlage kombiniert mit individuellen Einverständniserklärungen. Diese Strategie erwies sich als Geniestreich.
Etwa 120 Gremienmitglieder – Ratsmitglieder, sachkundige Bürger, beratende Mitglieder und sonstige Beteiligte – wurden vorab per E-Mail informiert. Das Anschreiben erklärte das Vorhaben transparent, den Zweck der Aufnahme und die geplante Testphase ab dem 10. April. Entscheidend war der klare Hinweis: Die Einverständniserklärung ist freiwillig, keine Voraussetzung für die Sitzungsteilnahme und jederzeit widerrufbar.
Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen: 30-40 Einverständniserklärungen kamen bereits vor der ersten Sitzung zurück – deutlich mehr als Marcel Kolter erwartet hatte. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv: Die Gremienmitglieder fanden das Vorhaben “super progressiv”, “super interessant” und lobten die Verwaltung für den innovativen Ansatz.
Der große Moment: Einführung im Rat
Der Tag der Ratssitzung wurde zum Triumph für die digitale Transformation. Bürgermeister und Ratsbüro erklärten die Mitteilungsvorlage, betonten das Ziel der standardisierten Nutzung für die kommende Wahlperiode bei erfolgreichem Testverlauf. Alle 35 Ratsmitglieder, die noch nicht unterschrieben hatten, gaben spontan ihre Einverständniserklärung ab.
Die Reaktion war überwältigend positiv: Es wurde sogar geklopft – das kommunale Äquivalent zum Applaus – für die Einführung der KI-Protokollierung. Selbst Ratsmitglieder weit über 80 Jahre zeigten sich begeistert, obwohl unklar blieb, ob sie die Technologie vollständig verstanden. Entscheidend war: Niemand äußerte Kritik oder stellte kritische Nachfragen.
Auch in den nachfolgenden Ausschusssitzungen verlief die Einholung der ausstehenden Einverständniserklärungen reibungslos. Marcel Kolter setzte sich als Ansprechpartner in den Zuschauerraum, um bei Fragen direkt verfügbar zu sein. Selbst “störrische und schwierige Gremienmitglieder, die gerne mal meckern”, fanden das Projekt richtig gut. Bis heute gab es keinen einzigen Widerruf.
Pragmatische: Öffentlich vor nicht-öffentlich
Eine clevere Entscheidung der Unnaer Verwaltung war die Beschränkung auf den öffentlichen Teil der Sitzungen während der Testphase. Diese strategische Begrenzung hatte mehrere Vorteile:
- Rechtssicherheit: Öffentliche Sitzungsteile sind ohnehin öffentlich zugänglich
- Vertrauensaufbau: Keine Weitergabe sensibler nicht-öffentlicher Inhalte ohne langfristigen Vertrag
- Akzeptanzförderung: Geringere Hemmschwelle bei den Gremienmitglieder
- Datenschutzkonformität: Minimales Risiko bei der Testphase
Die Zeitaufteilung in Unna begünstigt diese Strategie: Der nicht-öffentliche Teil macht meist nur 10-30% der Sitzungszeit aus, wobei der aufwändige Diskussionsteil hauptsächlich im öffentlichen Bereich stattfindet. Für die Zukunft ist aber geplant, nach Vertragsabschluss und entsprechender Auftragsverarbeitungsvereinbarung auch den nicht-öffentlichen Teil zu integrieren.
Technische Umsetzung: Bewährte Infrastruktur optimal nutzen
Die technische Implementierung nutzte die vorhandene Infrastruktur optimal: Unnas Ratssaal verfügt über eine professionelle Mikrofonanlage mit Einzelplatzmikrofonen – zwei Ratsmitglieder teilen sich ein Mikrofon. Bei Wortmeldungen wird die Aufnahmetaste gedrückt, was sowohl eine sprechstellenspezifische Aufnahme als auch eine chronologische Gesamtaufnahme der Sitzung generiert.
Diese Tondatei wird nach der Sitzung in SpeechMind hochgeladen. Für Sitzungen ohne Mikrofonanlage – wie bei den Stadtbetrieben in einem separaten Gebäude – organisierte Marcel Kolter mobile Zoom-Mikrofone aus dem hauseigenen Medienraum. Überraschend: Auch mit einfacherer Aufnahmetechnik entstanden verwertbare Protokollentwürfe.
Der Arbeitsablauf blieb bewusst konservativ: Marcel Kolter macht weiterhin Notizen während der Sitzung, als hätte er keine KI-Unterstützung – eine wichtige Absicherung für den Fall technischer Probleme. Die Kombination aus eigenen Notizen, SpeechMind-Transkript und Formulierungshilfen der KI ermöglicht eine deutlich effizientere Nachbearbeitung.
Durchschlagender Erfolg: Messbare Effizienzsteigerung
Die Ergebnisse der KI-Protokollierung übertrafen alle Erwartungen. Marcel Kolter konnte sein selbst gestecktes Ziel erreichen: Am Freitag nach der Donnerstag-Ratssitzung lag der erste Protokollentwurf vor – ohne viele Überstunden am traditionell kurzen Freitag.
Besonders beeindruckend ist die Qualitätsverbesserung bei fachfremden Themen. Früher musste Marcel Kolter bei komplexen technischen Diskussionen – etwa über Kanalbau oder Regenrückhaltebecken – einzelne Passagen drei- oder viermal anhören und zweifelte an seiner Interpretation. Mit SpeechMind erhält er sowohl ein wortgenaues Transkript als auch Formulierungshilfen für Verlaufsprotokolle. Diese Unterstützung ist besonders wertvoll, wenn Schriftführer Protokolle für verschiedene Fachbereiche erstellen müssen.
Ein praktischer Nebeneffekt: Marcel Kolter hört kaum noch in die ursprünglichen Tonbandaufnahmen hinein. Früher bedeuteten 3 Stunden Aufnahme auch 3 Stunden Abhörzeit plus Nachbearbeitungszeit. Heute bietet SpeechMind punktgenauen Zugriff auf Gesprächspassagen – ein enormer Zeitgewinn gegenüber dem mühsamen Suchen in analogen Aufnahmen.
Sprecherzuordnung durch KI-Lernsystem
Die Sprecheridentifikation funktioniert über ein intelligentes Lernsystem: SpeechMind erstellt zunächst ein vollständiges Transkript und identifiziert verschiedene Sprecher anhand der Stimmcharakteristika. Bei wiederkehrenden Gremien wie dem Stadtrat lernt die KI die Stimmen der Beteiligten und macht Zuordnungsvorschläge.
Der Prozess ist benutzerfreundlich gestaltet: Bei der ersten Nutzung identifiziert SpeechMind beispielsweise 20 verschiedene Sprecher und fragt nach deren Identität. Die KI nutzt dabei auch Kontextinformationen – wenn der Bürgermeister “Herr Peters übernimmt das Wort” sagt, erkennt sie, dass der nächste Sprecher wahrscheinlich Herr Peters ist. Je disziplinierter die Sitzungsführung, desto präziser die automatische Zuordnung.
Ein charmantes Detail: SpeechMind erstellt automatisch Persönlichkeitsprofile basierend auf dem Sprachverhalten – so wird dem Bürgermeister beispielsweise “geschulte Moderation von Ausschusssitzungen” zugeordnet.
Politische Akzeptanz und Zukunftsperspektive
Die politische Akzeptanz war von Anfang an überwältigend. Marcel Kolter erhielt einen “richtigen persönlichen Boost” durch die positive Resonanz aller Beteiligten. Die Unterstützung reichte von jungen, technikaffinen Ratsmitgliedern bis zu Senioren über 80 Jahre.
Diese breite Akzeptanz schafft die Grundlage für die geplante Standardisierung nach der Testphase. Bis Juli läuft die Pilotphase, anschließend folgt eine Evaluation der Zeitersparnis. Marcel Kolter ist bereits jetzt überzeugt: “Ich will ohne nicht mehr arbeiten, ganz klar.”
Für die Zukunft plant Unna die Ausweitung auf weitere Bereiche. Verschiedene Ämter – von der Feuerwehr bis zum Sozialamt – haben bereits Interesse an der KI-Protokollierung für interne Besprechungen angemeldet. Dies erfordert eine Erweiterung der aktuellen Dienstanweisung, um auch interne Gesprächsaufnahmen zu ermöglichen.
Best Practice für andere Kommunen: Die Unnaer Strategie
Die Kreisstadt Unna demonstriert einen mustergültigen Einführungsprozess für KI-gestützte Protokollierung:
- Rechtssicherheit durch umfassende Datenschutzabstimmung
- Enge Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten von Beginn an
- Entwicklung einer maßgeschneiderten Lösung für die Testphase
- Klare Zweckbindung und Löschfristen
- Maximale Transparenz und Bürgerbeteiligung
- Proaktive Information aller Beteiligten vor der Einführung
- Freiwilligkeit und Widerrufsmöglichkeit als zentrale Prinzipien
- Offene Kommunikation über Ziele und Nutzen
- Strategische Phasierung
- Start mit öffentlichen Sitzungsteilen für maximale Akzeptanz
- Aufbau von Vertrauen und Erfahrung vor Ausweitung
- Evaluation und Anpassung vor der Standardisierung
- Pragmatische technische Umsetzung
- Nutzung vorhandener Infrastruktur
- Beibehaltung bewährter Arbeitsweisen als Backup
- Schrittweise Integration in bestehende Workflows
Die in Unna entwickelten Dokumente – Mitteilungsvorlage, Einverständniserklärung und interne Richtlinien – stehen anderen Kommunen als Best-Practice-Vorlagen zur Verfügung und werden im Rahmen der Webinar-Serie geteilt.
Erfolg messbar gemacht: Ein Modell für moderne Verwaltung
Die Kreisstadt Unna zeigt exemplarisch, wie Kommunen KI-Technologie erfolgreich und bürgernah einführen können. Der Schlüssel liegt in der Kombination aus rechtlicher Sorgfalt, technischer Pragmatik und konsequenter Transparenz.
Besonders bemerkenswert ist die 100%ige Akzeptanz bei allen Beteiligten – ein Ergebnis, das durch die durchdachte Einführungsstrategie und die erkennbaren Vorteile für alle Beteiligten erreicht wurde. Von 6-7 Niederschriften pro Monat mit enormem Zeitaufwand zu effizienter, KI-gestützter Protokollierung – so gelingt der digitale Wandel in der öffentlichen Verwaltung.
Mit ihrer vorbildlichen Herangehensweise wird die Kreisstadt Unna zum Vorbild für andere Kommunen und demonstriert, dass erfolgreiche Digitalisierung durch strategische Planung, Bürgerbeteiligung und pragmatische Umsetzung gelingt.
Die Kreisstadt Unna nutzt das Ratsinformationssystem Session und arbeitet seit der Testphase mit SpeechMind für die KI-gestützte Protokollierung aller öffentlichen Sitzungsteile.
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